Imagine

Imagine

Gläubige, bitte nicht weiterlesen, es könnte Eure Gefühle verletzen. – oder – Was John Lennon mit David Alaba nicht gemeinsam hat.

The Beatles Story

Wenn Du das Beatles-Museum „The Beatles Story“ in Liverpool betrittat, erwartet Dich eine chronologische Abfolge der Stationen der Beatles, beginnend in Hamburg, im Cavern Club usw. Am Ende kommt man in einen Salon in weiß mit einem weißen Klavier. Im Hintergrund spielt und singt John Lennon seine berühmte Botschaft vom Frieden: „Imagine“ YoutTube-Video. Als ich erstmals in diesem Museum war, war ich allein in diesem Zimmer und konnte nicht aufhören, dieses Lied zu hören.

Eigentlich stammt diese Episode des weißen Zimmers schon aus der Zeit nach den Beatles, aus der John&Yoko-Periode, sie dient aber als krönender Abschluss des Beatles-Museums. Die frühere Version 2007 dieses Zimmers war eindrucksvoller, weil man sich in einem abgeschlossenen Raum befand; heute leitet diese Szene in eine Cafeteria über und daher kann man diese Stimmung nicht mehr so einfangen. Money, money, money…

Dieses Lied ist eine ergreifende Vision einer Welt ohne Religion, ohne Himmel und Hölle.

Übersetzung

Stell dir vor, es gäbe kein Himmelreich,
Es ist ganz einfach, wenn du es versuchst.
Keine Hölle unter uns,
über uns nur der Himmel.

Stell dir vor, alle Menschen
leben nur für das „Heute“.

Stell dir vor, es gäbe keine Länder,
es ist nicht so schwer, zu tun.
Nichts, wofür es sich zu töten oder sterben lohnt,
und auch keine Religion.

Stell dir vor, alle Menschen,
leben ihr Leben in Frieden.

Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber, ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
und die ganze Welt wird wie eins sein.

Stell dir vor, es gäbe keinen Besitz mehr.
Ich frage mich, ob du das kannst.
Keinen Grund für Gier oder Hunger,
Eine Menschheit in Brüderlichkeit.

Stell dir vor, alle Menschen,
teilen sich die Welt.

Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer,
aber, ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein,
und die ganze Welt wird wie eins sein.

11. Oktober 1971, John Lennon (Übersetzung)

Lied der Lieder

Wenn mich wer nach dem Lied der Lieder fragt, ist meine spontane Antwort „Imagine“ von John Lennon. Gleichzeitig fällt es mir schwer, durch diese Auswahl die Hunderten anderen wunderschönen Lieder in eine zweite Reihe stellen zu müssen, aber dieser ewigen Sehnsucht nach Frieden Ausdruck zu verleihen, ist in dieser schlichten Art, Text und Musik betreffend, kaum je anderswo gelungen.

„Imagine“ hat auf YouTube 175 Millionen Aufrufe.

Natürlich sind bei „RollingStone.com“ die beiden Top-Hits „Like a Rolling Stone“ von Bob Dylan und erst an zweiter Stelle (1) „Satisfaction“ von den Meistern selbst. Danach aber kommt bereits „Imagine“ von John Lennon auf Platz drei einer ewigen Bestenliste von 500 Liedern. Man sieht, die gegenseitige Anerkennung ist groß. Natürlich gibt es viele andere Rankings, die diese Reihung anderswie vornehmen; Imagine ist aber immer vorne mit dabei, in dieser Frage ist man sich ziemlich einig.

Das Lied ist zwar musikalisch ganz anders einzuordnen als etwa Schillers „Ode an die Freude“ in der Vertonung von Ludwig van Beethoven aber in seiner Breitenwirkung würde ich es wohl noch über das Meisterwerk der Klassik stellen, einfach weil es nicht nur Eliten, sondern wirklich alle Menschen unabhängig von ihrer Vorbildung gleichermaßen erreicht.

FIFA und die Religionen

Ob die FIFA dieses Lied mitgedacht hat als sie verfügt hat, dass keine religiösen Symbole auf den Fußballplätzen erwünscht sind?

Man tritt mit der Aktion „Respect“ gegen Rassismus auf, zu einer Aktion gegen sonstige weltanschaulichen Bekundungen hat es nicht gereicht, man untersagt aber den Spielern religiöse Symbolik – ahndet aber Verstöße nicht.

UEFA.Aktin „Respekt2; Bild aus 2012, Hanappi-Stadion (Fiala)

Wer kennt sie nicht, die tolerierten Bekreuzigungen vor Spielbeginn und bei Einwechslungen, wobei man auch gleich an dem flüchtigen Kreuzzeichen die römischen von den orthodoxen Christen unterscheiden kann. Wer erinnert sich nicht an Gerson, der sich vor Spielbeginn mit seinem Gott am Rasen unterhalten hat.

Guimarães Ferreira Junior Gerson, 11,11,2012 gegen WAC (Bild: Fiala)

Der Torjubel, der seht oft mit einem Blick zum Himmel begleitet ist, was wohl so viel heißt, dass der jeweilige Schutzengel seine Arbeit gut getan hat. Ein Wettbewerb der Götter mit den Spielern als Marionetten.

Jesus liebt David

Unser Parade-Fußballer David Alaba macht es noch deutlicher. Er machte auf die Bedeutung des Glaubens für sein Leben mehrfach in der Öffentlichkeit aufmerksam. Als Motto gibt er aus: „Meine Kraft liegt in Jesus!“

Ich frage mich dann immer, warum dieser ach so tolle Gott sich nicht mehr um den Pascal kümmert, der mit einer schweren Krankheit im Spital liegen muss. Offenbar ist des Gottes Kraft ganz in den Muskeln des David verbraucht worden, für Pascal blieb nicht viel übrig! Da muss man schon Theologie studiert haben, um das zu kapieren, fragt sich nur, welche? Es gibt ja so viele „wahre“!

Oder ist die Antwort ganz einfach: wer die falsche Kirche hat, dem hilft dieser Gott nicht, den liebt er nicht: Alaba gehört wie seine Familie zur protestantischen Freikirche der Siebenten-Tages-Adventisten. Das sind die Guten!

Ist das nicht ein ziemlich unaufmerksamer Gott, dieser Jesus? Er kümmert sich um die Tüchtigen, die anderen lasst er ånglánt. Übrigens ein Jahrhunderte altes Modell der Evengelikalen und Calvinisten, dass sich das Gottgefällige durchsetzt und die anderen selber Schuld an ihrem Schicksal sind. Der „amerikanische Traum“, der so ziemlich jeden Raub an der Gesellschaft rechtfertigt. Anderswie kann man sich ja auch die Jahresgage eines Alaba nicht erklären, man muss sich ja geradezu zu den gottgefälligen Auserwählten zählen und sich das Paradox des Reichtums schönreden.

Dieses Jesus-Transparent von Alaba erscheint wie ein Deal: „Du hilfst mir, der beste Fußballer der Welt zu sein, und ich verhelfe Dir zu mehr Popularität bei denen mit der falschen Lehre“.

Wer hätte gedacht, dass nach Renaissance, Humanismus, Aufklärung, nach dem durch Darwin begrabenen Gott und zwei Weltkriegen, Kicker wieder beginnen, die Geister von früher, deren Wirkungen wir in Geschichtsbüchern studieren können und die wir auch heute noch miterleben können (erspart mir die Zitate) ausgraben und versuchen in der Welt zu verbreiten.

Sollte man das hier herauslesen, dann stimmt es: ich mag diese Religiosi nicht, wenn sie fundamentalistisch werden, weil ihre Geisteshaltung gegen jede Vernunft, Aufklärung und Toleranzbemühung gerichtet ist. Auf der Bühne caritativ, hinter der Bühne missionarisch und mit den Mächtigen paktierend. Der auserwählte Fußballer, das auserwählte Volk. Hier ein Zitat aus einem der Lieder von Reinhard Mey: „Sei wachsam“ (1996) mit der Textstelle: „Der Minister nimmt den Bischof in den Arm: ‚Halt Du sie dumm, ich halt sie arm.’“

Nur Ronaldo ist er selbst. „Meine Kraft liegt in mir“ will er wohl mit seinem wuchtigen Auftreten nach einem Torerfolg sagen, und er ist wirklich ein beeindruckender Athlet.

Ein Ziel für alle?

Die Muskeln sind gewachsen, der Geist ist der von gestern.

Zur Ehrenrettung des David muss gesagt werden: „die Täter sind immer die Eltern“. Aber die Eltern sollten den Mut aufbringen, ihre Kinder nicht zu indoktrinieren, und die Kinder sollten die Kraft mitbringen, unzeitgemäße Eigenarten der Eltern zu erkennen und zu überwinden, dazu sind ja schließlich Leben und Tod evolutorisch entstanden, damit wir auf eine sich verändernde Umwelt reagieren können.

Insbesondere, wenn junge Menschen in so prominente Positionen wie die eines Spitzenfußballers katapultiert werden, müssen sie Verantwortung übernehmen für das, was sie sagen. Sie sind nicht irgendwer im Biergarten, sie haben eine außergewöhnliche Popularität und damit eine außergewöhnliche Verantwortung.

Ist nicht die Botschaft von John Lennon etwas, das wir alle unterschreiben könnten, ganz egal welche Geisteshaltung das jeweilige Elternhaus vorgegeben hat?

Vielleicht wären auch die Vereine gefordert, den Spielern der Jugendmannschaften so etwas wie Ethikunterricht angedeihen zu lassen, nicht den in Österreich angedachten, natürlich einen für alle, weil die jungen Spieler eben das Potenzial haben, mit vergleichsweise bescheidener Bildung hohe Popularitätswerte zu erreichen. Das archaische und unreflektierte Weltbild der Elterngeneration wirkt dann in sonderbaren Jesus-Botschaften auf uns Anhänger zurück.

Aber gleich beim einfachen Beispiel von „Imagine“ zeigt sich, dass der Text wohl nicht bei allen Fußballschülern gleichermaßen akzeptiert werden wird, denn wer kennt sie nicht nicht, die Nationalbewussten, die allein bei der Zeile „stell Dir vor es gibt keine Länder“ in eine Sinnkrise stürzen.



Damit hier nicht nur Negativbeispiele genannt werden, erinnere ich an die Karriere und das soziale Engagement unseres Jahrhundertfußballers Steffen Hofmann, der seine ganze Popularität in den Dienst der Gesellschaft stellt und für jene da ist, die unsere Hilfe dringend brauchen.

Sooo muss Verantwortung!

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Dieser Tagebucheintrag entstand nach einem ziemlich nostalgischen Liedernachmittag in der Einsamkeit eines Spitals. Sonderbarerweise sind es Endzeitlieder, die einen da besonders berühren, aber weil man ja positiv denken soll, wie alle einfühlsame Botschaften, die mich erreicht haben, ausgedrückt haben, stieß ich auf das visionäre „Imagine“. Und der verhaltensauffällige Alaba passte als Kontrapunkt zu dieser Vision ganz gut dazu.