Brief an Andreas Unterberger

Andreas Unterberger vergleicht Rapid mit DDR-Vereinen und lässt kein Vorurteil über Fußball aus, um es wie Schmutzwasser über Rapid auszuschütten. Nachzulesen hier:
http://www.vienna.at/rapid-als-teure-spoe-filiale/4162818

Sehr geehrter Herr Unterberger!

Das Sie sich gerade Rapid zu einer Art Rundumschlag ausgesucht haben und nicht etwa den anderen Wiener Großklub, erlaube ich mir Ihrem Text in einigen Punkten zu widersprechen.

Grundsätzliches zu Sportförderung

In der Regel errichten die Gemeinden oder das Land eine Sportstätte und ein oder mehrere Vereine spielen dann dort. Außer bei Rapid. Rapid hat zur Sanierung seines Stadions eine Subvention erhalten und der zweite Wiener Verein eine ebensolche in gleicher Höhe. Das haben Sie in Ihrem Artikel nicht gesagt. Rapid stockt diesen Betrag um 35 Millionen auf und errichtet stattdessen in Eigenregie ein eigenes Stadion. Der Verein ist der Bauherr, nicht die Gemeinde. Ein auch weltweit sehr beachteter Vorgang.

Die Sportveranstaltungen einer Stadt sind Teil der Stadtkultur, sind ein Wirtschaftsfaktor und ein Beitrag zum gesellschaftlichen Leben. Das wird überall auf der Welt subventioniert.

Schauen wir uns einmal um, wie die Stadien sonstwo errichtet werden. Bei Rapid sind es 37% Steuergelder und bei den meisten anderen Vereinen (auch bei dem von Ihnen zitierten Zuckerwassererzeuger) sind es 100%.

Genaugenommen müsste Ihr Text also lauten, dass der Stadt in der Stadionfrage ein großer Coup für den Steuerzahler gelungen ist, denn ohne einen Finger zu rühren, kann die Stadt 2016 auf ein Bauwerk verweisen, zu dem der Steuerzahler zum kleineren Teil aufkommen musste.

Sie schreiben: „Denn Rapid bekommt nun schon zum zweiten Mal binnen weniger Jahre aus der Gemeindekasse ein funkelnagelneues Stadion finanziert (mit über 20 Millionen aus öffentlichen Kassen).“

Das Weststadion besteht seit 1977 und 37 Jahre sind nicht „wenige Jahre“. Wir, die das Hanappi-Stadion gekannt haben, wissen, dass das Bauamt jederzeit hätte eine Sperrung wegen baulicher Mängel hätte beantragen können. Die Zuschauer haben aus Zuneigung zu dem Gebälk nicht über die Zustände gemeckert. Der Neubau war aber ziemlich dringend.

In diesen Jahren wurde von der Gemeinde auch die Albert-Schultz-Halle modernisiert und auch da flossen Steuergelder. Alles ganz normale Dinge im Leben einer Stadt.

Sie bringen diese Dinge in Zusammenhang mit der SPÖ. Klar, die SPÖ regiert die Stadt seit Menschengedenken aber immerhin sind die letzten Beschlüsse zu Umwidmung der Gelder von „Sanierung“ auf „Neubau“ einstimmig im Gemeinderat beschlossen worden, also auch mit den Stimmen der Opposition. Ich nehme an, dass man sich das als Stadtregierung nicht entgehen lassen kann, um für 20 Millionen ein Stadion um 53 Millionen errichtet zu bekommen.

Wenn Sie mich fragen: eine Win-Win-Situation für die Stadt (nicht nur für die SPÖ) und den Verein.

Kuratorium

Das Kuratorium (nicht nur bei Rapid, auch  bei anderen Vereinen) ist eine Art „Lobbying des Kleinen Mannes“ für den Sportverein. Die dort fast ein bisschen inflationär genannten Persönlichkeiten sollen zu einem positiven Image des Vereins betragen und eventuelle Chancen für den Verein in diesem Gremium kommunizieren. Die Kuratoren machen das ehrenamtlich aber sie gehören idell zu Rapid.

Wenn aber ein solcher Lobbyist nicht einmal das Minimum an Loyalität aufbringt, eine Kritik zuerst bei dem Verein, dem er angehört, mitzuteilen, sondern diese Kritik über die Presse hinauszuposaunen, was wird man zu einem solchen Mitarbeiter wohl sagen. Diese Politiker sind nicht immer loyale Partner – wie man sieht. Eher kein Gewinn für Rapid; diese Nähe zur SPÖ.

Problematische Anhänger

Der Unterschied zwischen einem Fußballverein und der Gesellschaft ist sehr interessant. Ein Fußballverein integriert unter dem Dach seines Stadions die unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten, auch jene, die sie, Herr Unterberger, gerne anderswo sehen würden. Was Sie uns schuldig bleiben, ist die Antwort, wo Sie Menschen, die Sie Ihnen Unbehagen bereiten, unterbringen würden? Die Gesellschaft ist mit einer Antwort schnell bei der Hand und neigt dazu, unliebsame Mitglieder wegzusperren, oder auszuweisen und sie findet auch gar nichts dabei, Gesetze anzuwenden, die aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen und seinerzeit eine ganz andere Situation zu bewältigen hatten. Dabei ist es genau diese Gesellschaft, die dafür verantwortlich ist, dass es eben nicht nur die brav angepassten Bürger gibt. Soweit ich das bisher bei Rapid erlebt habe, gibt ein Fußballvereinen all diesen Menschen eine Heimat, auch wenn sie von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Jeder unserer Besuche im Stadion ist ein Chance für die Gesellschaft, mit den teilweise extremen Gruppen überhaupt in Kontakt zu kommen und zu versuchen, einen sich von Spiel zu Spiel und von Saison zu Saison wiederholenden Lernprozess über die Kinderstube hinaus einzuleiten.

Wenn wir Problemkinder rausdrängen, dann werden Sie in Ihrer Zeitung eben an anderer Stelle über sie berichten müssen und haben dann keinen Schuldigen mehr, den Sie heute als „Rapid“ glauben herausgefunden zu haben. Rapid erzeugt diese Problemkinder nicht, das ist schon die Gesellschaft. Hier, bei Rapid, werden aber die Versäumnisse der Gesellschaft, der Bildungspolitik, der Sozialpolitik, des Millieus und der Familie sichtbar. Rapid ist nur ein Marker, die Schuldigen müssen Sie schon anderswo suchen.

Im Gegenteil, für dieses sozialintegrative Engagement der Fußballvereine, nicht nur von Rapid, müsste die Gesellschaft eigentlich danken und diese Aktivitäten unterstützen (geschieht eh schon durch aktive Beteiligung von Sozialarbeitern). Diese von wenig Sachkenntnis geprägten Artikeln sind in dieser Angelegenheit wenig nützlich, weil sie ein Feindbild zeichnen, wo Freunde aber kein Feinde sind.

Ich würde ein paar Stunden Privatissimum beim Parade-Soziologen Roland Girtler empfehlen.

Ich kenne keine „skandalöse Klubführung“

Da ich mich schon mehr bei Rapid als zu Hause herumtreibe, sind mir alle Personen der Vereinsführung bekannt und kann mich dieser Wortwahl nicht anschließen. Wer die Akteure wie zum Beispiel Herrn Edlinger oder Herrn Marek und ihre Fähigkeit, den unterschiedlichsten Menschen positiv und integrativ entgegenzutreten kennt, wird schwerlich das Wort „skandalös“ verwenden.

Nehmen wir an, der Fußballverein macht das so, wie Sie sich das offenbar wünschen, dass er sich also all jener entledigt, die Sie ansprechen: „Hardcore-Extremisten und antisemitische Elemente“, wie Sie schreiben. Ja wo glauben Sie, werden dann diese Menschen ihre Aktivitäten entfalten? Nicht mehr am Fußballplatz, denn von dort sind sie ja erfolgreich vertrieben worden, nein, sie werden Deine und meine Straße unsicher machen; nachzulesen zum Beispiel hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Unruhen_in_England_2011. In England haben die Kinder der erfolgreich ausgesperrten Generation der späten 80er Jahre der Gesellschaft gezeigt, was sie von ihr halten.

Mafia-Paragraf und Landfriedensbruch-Paragraf

In beiden Fällen handelt es sich um die Anwendung eines Gesetzes auf einen nicht zutreffenden Sachverhalt. In beiden Fällen haben diesen Umstand prominente Juristen kritisiert und eine Änderung angeregt. Während aber die Tierschützer eine massive Unterstützung erfahren haben, trifft das auf die verhaltensauffälligen Fußballfans weniger bis gar nicht zu. Nach meiner Ansicht haben alle diese Prozesse gegen Fußballfans die Absicht, die Szene zu zerschlagen und Zustände wie in England herzustellen, mit den schon bekannten Folgen.

Für was sich die Fußballverbände einsetzen könnten, wäre eine Gesetzgebung, die dem Sportstättenbetrieb angepasst ist und die aktuelle Phänomene der Fanszene berücksichtigt.

Sozialistische Tradition

Die Wurzeln von Rapid liegen im „1. Wiener Arbeiter Fußballklub“ und Rapid leugnet weder seine Wurzeln noch seine gegenwärtigen Verbindungen mit der Sozialdemokratie.

Fragen Sie einmal unter den Rapid-Anhängern: jeder wünscht sich eigentlich „Football-old-Style“, einen Zustand, vielleicht wie in den zwanziger Jahren, vielleicht noch früher, bei dem das Fußballfeld und das Stadion allein vom Fußball regiert wird und nicht von Werbeplakaten und dieser oder jener Ankündigung, die nur dazu dient, die ewig leeren Kassen des Vereins zu füllen. Auch keine Einflüsse von Parteien sind erwünscht, eh klar.

Aber wir können diese sich weiter drehende Welt nicht ändern und jeder Sportverein muss sich an die politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten anpassen, will er überleben und dabei vielleicht sogar ganz vorne mitmischen.

Das war in jedem politischen System so. Bei den Kommunisten, bei den Nazis und auch bei den modernen Demokratien. So ein Verein hat einen enormen Geldbedarf und wir, die Anhänger tragen überproportional dazu bei. Nicht, was das Geldvolumen betrifft, wohl aber im Vergleich des Einsatzes gemessen an unserm eigenen Einkommen.

Wenn also ein Fußballverein in Graz das „Graz“ am Trikot kleben hat und die Innsbrucker „Tirol-Milch“, der Stadtrivale „Verbund“ und Rapid eben „Wien-Energie“, dann sind diese Bindungen für die Finanzierung notwendig und dabei ist es natürlich sehr vorteilhaft, eben zu einem dieser Geldgeber eine ideologische Nähe zu haben. Dazu gehören aber auch Zufälligkeiten der Farbgebung und der Möglichkeit, den Fußball in das Bild eines Konzerns positiv einzubinden, das eben bei „Wien-Energie“ sehr gut gelingt.

Ich finde, dass Rapid hier nolens volens mitspielt und dabei keine besonders auffällige Figur macht. Rapid befindet sich in Gesellschaft anderer Fußballvereine, die sich derselben Mittel zur Finanzierung des Vereins bedienen.

Auf Rapid wird aus demselben Grund eingeschlagen, weil eben dabei am meisten gepunktet werden kann. Man hätte doch ohne große Probleme auch beim Lieblingsgegner von Rapid eine gewisse Nähe zur Politik orten können, oder? Wer will dem Aufsichtsrat-Vorsitzenden Wolfgang Katzian (http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Katzian) seine Nähe zur SPÖ absprechen? Aber wie gesagt, die halb so große Öffentlichkeit des zweiten Wiener Großklubs gibt nicht soviel her und daher muss schon Rapid als Prügelknabe herhalten.

Rapid ist ein Mitgliederverein. Wir, die Mitglieder, haben das Gefühl (auch wenns dann soch nicht ganz so stimmt), dass wir gemeinsam Dinge bewegen können.

Sie greifen mit dem aggressiven Artikel jeden einzelnen von uns an obwohl wir selbst unsere Aktivitäten als konstruktiv empfinden. Und ja, wir müssen jede sich bietenden Chance nützen, um den Verein an der Spitze zu halten. Dazu gehört der Verzicht auf den Stadionnamen, ein gewisse Nähe zur Sozialdemokratie, Werbung wohin man schaut. Aber Ihr wesentlicher Kritikpunkt, die Kosten für den Steuerzahler, die sind minimal und werden jedem Sportklub dieser Größenordnung von der öffentlichen Hand zuerkannt, SPÖ hin oder her.

Nehmen wir den zwar unrealistischen aber doch immerhin möglichen Fall an, dass einmal nicht die SPÖ in der Stadtregierung sitzen wird. Wird es dann Rapid nicht mehr wegen der von Ihnen etwa übertriebenen Nähe zur SPÖ nicht mehr geben?

Rapid hat es auch in den schlimmsten Krisenzeiten gegeben und Rapid musste sich wie jeder Sportverein den Gegebenheiten anpassen, also wird Rapid auch das überleben, denn im Unterschied zu irgendwelchen Wahl-Wendehälsen kennzeichnet die Rapidler eine große Treue zu ihrem Verein und es stört uns, wenn diese unsere Bemühungen von der Presse gering geschätzt werden.


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