Indianer und Häuptlinge

Rapid lud am 9.2. zum ersten Stammtisch 2017. Der Abend bestand aus zwei Teilen. In einer Diskussionsrunde mit Christoph Peschek (Geschäftsführer Wirtschaft), Heinz Deutsch (Hütteldorfer Xindl), Alexander Huber (Kurier), Herbert Garger (Rapid-Legende) und einem Redakteur der Krone stellte Andy Marek Fragen über das turbulenteste Jahr in der Rapid-Geschichte, das Jahr 2016. Die Ereignisse wurden offen und durchaus selbstkritisch analysiert. Die Illusion, dass es genügt, ein neues Haus zu haben und der Erfolg würde sich mit einem soliden wirtschaftlichen Fundament von allein einstellen, musste schon im September begraben werden. Man könnte den Erfolg oder Misserfolg der Mannschaft auch als Indikator für „Baumängel“ im Gesamtsystems „Verein“ sehen. Die Konzentration des Führungsteams auf das Bauprojekt, die alternativlose Lösung der Trainerfrage, der Erwartungsdruck aller Beteiligten, Verletzungspech uvam., all das waren zu viel Störfaktoren, um daneben sportlichen Erfolg einfahren zu können. Im zweiten Teil diskutierte Andy Marek mit Damir Canadi und Fredy Bickel über ihre Pläne mit Rapid und selbstverständlich auch über das Derby am Sonntag. Durch den Facettenreichtum des Fußballsports sind sich auch anerkannte Profis in ihrer Einschätzung einer Mannschaft, eines Spielstils nicht einig. Und daher interpretiert auch jede Generation den Fußball wieder anders. Mehrmals erwähnte Kurt Garger an diesem Abend den Sager von „Indianern und Fußballern“. Er meinte, dass es in der aktuellen Mannschaft von Rapid zu viele „Indianer“ aber zu wenig „Häuptlinge“ gäbe, also zu wenig Führungsspieler, die dem Spiel eine Richtung geben. Dem entgegnete Damir Canadi, dass es solche „Spielertrainer“ im modernen anspruchsvollen und schnellen Spiel nicht mehr gibt, weil sie für eine solche Rolle keine freien Kapazitäten haben. In einem eindrucksvollen Aufruf an die Gäste erbat sich der Trainer mehr Achtung vom Einsatz aller Beteiligten, sowohl der Spieler als auch der Trainer. Er hat damit auf den einen oder anderen „gut gemeinten“ Zuruf aus den Zuschauerreihen angespielt und dass sich das Publikum oft zu wenig Gedanken über die Komplexität des Gewerbes „Fußball“ macht. Mir hat diese Aussage gefallen, richtet sie sich doch gegen die oft behübschend „Nörgeln“ genannte Eigenschaft speziell der Wiener. Aber wir sind durchaus lernbereit und ersuchen umgekehrt um genauere Erklärungen von Details. Da es ab jetzt in jedem Monat einen Stammtisch geben soll, wird es für Damir ausreichend Gelegenheit geben, uns etwas von seinem Handwerk zu vermitteln. Fredy Bickel wieder appellierte an die Gäste, die Rolle einer Liga als Ausbildungsliga nicht gering zu schätzen, denn es wäre insgesamt eine sehr wichtige schöne Aufgabe für den Fußball. Wenn Andy Marek die Erfolge des Kurt Garger aufzählt, ist es für die meisten Anwesenden im Saal kaum begreiflich, weil sie (die Älteren vielleicht ausgenommen) das nie erlebt haben: Vier Meistertitel und fünf Cuptitel, so heißt seine Bilanz. Schlimmer noch; der doch schon in die Jahre gekommene Kurt Garger gehörte auch gleichzeitig der letzten Cupsiegermannschaft des Jahres 1995 an. Wenn das kein Auftrag an die aktuelle Mannschaft ist…

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