Offenbarungen der hiesigen Seele
Offenbarung 1
- 2017-05-09 Kurier: AG-Funktionäre posteten Judenwitze und Behinderten-Spott in Facebook-Gruppe
Offenbarung 2
- 2017-05-10 Kurier: Antisemitische Rufe von Rapid-Fans bei Derby
Reaktionen
- 2017-05-12 Kurier: Rapid erteilte nach antisemitischen Rufen vier Hausverbote
- 2017-05-15 ORF-2 Thema: Aktionsgemeinschaft Jus Funktionäre verhöhnen NS-Opfer (noch eine Woche in der TvThek). Danach folgt eine berührende Dokumentation über den Holocaust: „Retter und Gerettete“. Besonders dramatisch die Erzählung zweier alten Damen; die eine, die als Kind die „Mühlviertler Hasenjagd“ miterlebt hat und deren Eltern unter höchster Lebensgefahr zwei russische Kriegsgefangene versteckt haben und die andere, die selbst als Kind viele Jahre versteckt in einer Fabrik leben musste, ständig in Gefahr, entdeckt zu werden.

Meine Wahrnehmung
Wir waren bei dem Spiel von Rapid II gegen die Austria Amateure auch anwesend und haben gegen Spielende einen Tumult wahrgenommen, haben aber die besagten Rufe nicht erkannt. Auch die in größerer Nähe stehenden Rapid-II-„HardCore“-Anhänger haben es nicht unmittelbar gehört aber so nach und nach wurde bekannt, um welche Gruppe es sich gehandelt hat. Besucht man Fußballspiele, dann gehört man nach einigen Jahren irgendwie „dazu“. Ich fürchte, ich selbst bin da mittendrin in „der Szene“. Nicht im Zentrum des Blocks, eher in der Peripherie, aber durch die große Anzahl unserer Begegnungen mit dem Publikum bei Spielen von Rapid II wissen wir, wie groß die Abneigung gegenüber dem jeweiligen Gegner und ganz besonders gegen den Stadtrivalen ist. Am Fußballplatz gibt es ein Vokabular, das mir persönlich überhaupt nicht behagt, und ich habe mir angewöhnt, das Gehörte dort zu belassen, wo ich es gehört habe: am Fußballplatz und man darf es nicht in den Alltag stellen und aus dem Zusammenhang. Und ganz besonder aber haben – nach meiner Ansicht – diese Rufe im Fall der betroffenen Gruppe – nichts mit Antisemitismus zu tun, auch, wenn es sich so anhört. Einzelne Fans wurden mehr durch den Fanblock denn durch ein intaktes familiäres Umfeld sozialisiert. Dieses Umfeld im Block ist es, das man behutsam beeinflussen muss. Behutsam deswegen, weil es nicht darum gehen kann, jemanden auszusperren, sondern darum, Mängel der Sozialisierung zu korrigieren. Beispiel 1: Eine sehr freundliche Besucherin von Rapid-Spielen, die sich abseits des Spiels durchaus gepflegt auszudrücken pflegt, verwandelt sich während eines Spiels zu einem Hardcore-Fan der Extraklasse. Sie gerät dabei so in Fahrt, dass sie in jeden gegner-verachtenden Chor einstimmen würde, der sich anbietet; ganz egal, mit dem man den Gegner jeweils vergleicht. Das ist völlig irrational aber auch das kann Fußball. Wahrscheinlich ist ein Fußballspiel sogar ein wichtiges Ventil, die Mensch auslebt, wenn er sich die ganze Woche diszipliniert betragen muss. Die Bekannten dieser Besucherin würden sich wundern, wenn sie die Kommentare hören würden. Beispiel 2: Ein außergewöhnlich treuer Rapid-Fan bezeichnet unsere violetten Freunde manchmal „die Juden“, speziell, wenn wir verlieren. Glaubt es mir, er hat keine Ahnung, was er da sagt. Er spricht nur etwas nach, was er in seiner sonstigen Umgebung aufgeschnappt hat und weil es im Zusammenhang mit der Austria verwendet wird. Von seinem Elternhaus hat er es nicht. Es könnte durchaus passieren, dass er das bei einem Rückstand von Rapid hinausschreit und irgendwo eine Kamera das aufnimmt – und dann haben wir den Salat; er wir möglicherweise wie die vier anderen von Rapid-Veranstaltungen ausgeschlossen. Eine schwerere Bestrafung kann es für ihn gar nicht geben. Es wäre so wie Einzelhaft unter verschärften Bedingungen. Noch einmal: er hat keine Ahnung, was er da sagt – ganz im Gegensatz zu den eingangs erwähnten Juristen. Und es genügt nicht, ihm zu sagen, dass man das nicht sagt; dazu gehört viel mehr. Bedenkt, er verbring jede freie Minute am Fußballplatz und der Fußballplatz ist seine verlängerte Kinderstube. Ich kann ihn vorsichtig korrigieren aber mit mir verbringt er wenige Minuten aber mit dem Block viele Stunden. Seine Umgebung muss sich ändern, erst dann hat er eine Chance. Und hier wieder ist der Verein gefordert. Angesichts der neuen Massen im Fanblock hat ein Fußballverein eben auch die Aufgabe, seine Anhänger in einer Art Späterziehung zu beeinflussen. Strafen sind aber nur eine Möglichkeit; eine ziemlich hilflose und unwirksame . wie mir scheint. Rapid hat dabei den Vorteil eines sehr heterogenen Fanblocks, der sich darüber hinaus auch als unpolitisch erklärt hat und von dem bekannt ist, dass er innerhalb der Spiele von Rapid solche Äußerungen wie sie auf West 1 zu hören waren, von sich aus unterbindet. Es dürfte schon Gruppen innerhalb des Blocks geben, denen man extremes Gedankengut zuschreiben kann. Aber die Gruppe auf West 1 war das vermutlich nicht. Es wurden hier Slogans gerufen, die sich über Jahrzehnte hartnäckig in den jeweiligen Fanblöcken gehalten haben (betrifft die Austria wegen der Kleinheit des Fanblocks noch mehr), ohne dass man das seitens der Vereine ausreichend bekämpft hätte. Die Maßnahmen, die der Verein zur Aufarbeitung beigetragen hat, also das Museum, die Aufarbeitung der Kriegsjahre durch eine Historiker-Kommission, zusammengefasst im Buch „Grün-weiß unter dem Hakenkreuz“, beeindrucken mich als Leser aber kaum jene, die es betrifft, weil das alles in einer Sprachwelt stattfindet, die eine ihnen fremde ist. Wer von den eigentlichen Adressaten sitzt bei der Sendung „Thema“ vor dem Fernseher und ist betroffen? Wahrscheinlich keiner.Wanderer kommt Du zu einem Wiener Stadtderby…
…und nehmen wir an, Du kommst aus Deutschland. Dann wirst Du Dich wundern, was hierzulande alles „einegeht“, was westlich von Salzburg eventuell mit einer Strafe belegt wäre. Es geht um die Texte auf Transparenten, Fahnen und Doppelhaltern und die Gesänge zweifelhaften Inhalts. Ich bedanke mich an dieser Stelle für Links aus der deutschen Presse, die mir ein treuer Leser des Tagebuchs vor einiger Zeit zugesendet hat und die zeigen, dass ein Fußballverein auch anders reagieren kann als es bei Rapid der Fall ist.„Scheiß xyz“
Die Verbände und Vereine versuchen, die markige Sprache am Fußballplatz zurück zu drängen.
Für einen Doppelhalter mit der Aufschrift „Scheiß Red Bull“ wurde der betreffende Verein vom DFB bestraft; ein Ausspruch, der – laut Portal Faszination-Fankurve – in jedem Bundesligastadion zu hören wäre, auf vielen Fanschals, Trikots und Plakaten aufgeschrieben steht und praktisch Teil der Fußballszene geworden ist.- 2015-06-11 Faszination-Fankurve.de: Warum Fans DFB-Strafen als willkürlich empfinden
- 2017-03-09 Faszination-Fankurve.de: CFC erneut für „Scheiß Red Bull“ Doppelhalter bestraft
- 2017-03-09 DFB: Fans & Vereine rätseln über Strafen wegen Gesängen
Die Vereine versuchen, Strafen auf die Verursacher abzuwälzen.
Ein Böllerwerfer des 1 FC Köln aber auch der Fangesang „Dietmar Hopp du Sohn einer Hure“ oder „BVB Hurensöhne“ mit Strafen belegt.- 2017-03-09 Fazination-Fankurve.de 1 FC Köln: Böllerwerfer muss über 20.000 € zahlen
Die Kinder sind immer aus Wien

Nicht strafen, informieren!
Ja, man muss etwas tun, aber vergesst Stadionverbote, die ändern gar nichts, die beruhigen nur die Öffentlichkeit. Verlangen wir von den Betroffenen die Teilnahme an einem verpflichtenden Kurs, der die Sachverhalte so aufarbeitet, dass es „unter die Haut“ geht. Dazu gehört eine mehr als erklärende Führung im Rapideum mit dem Thema „Fußball im Nationalsozialismus“ und eine Schulung „Judentum für Fußballfans“ im jüdischen Museum. Die Betroffenen sollten sich nicht nur einen Vortrag anhören müssen. Es gehören harte Filme und audiovisuell aufbearbeitetes Anschauungmaterial über die damalige Zeit dazu und über diese Filme müsste verpflichtend diskutiert werden. Jeder Teilnehmer muss in einer mündlichen und/oder schriftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema zeigen, dass es ihm bewusst ist, was es bedeutet, im historischen Kontext jemanden als „Juden“ zu beschimpfen. Ein geschickt ausgearbeiteter Multiple-Choice-Test könnte so eine Auseinandersetzung- unabhängig von der Bildungsstufe – sein, wir kennen das ja vom Führerschein.Aktionismus
Die belehrende Art, gegen Antisemitismus aufzutreten, ist möglicherweise bei den eigentlichen Adressaten nicht sehr effizient, weil man mit Ablehnung rechnen muss. Vielleicht können aber außergewöhnliche Methoden helfen, Fußballfans zu beeinflussen? Ich bin nicht mehr in dem Alter, aktionistisch in einer Fankurve stehen zu wollen. Anderseits beobachte ich aber, dass die „große Gruppe“ sehr anziehend für junge Rapid-Fans ist. Vielleicht könnte man diese Anziehungskraft nutzen, um bei Spielen gezielt Aktionen durchzuführen, die auf Dinge hinweisen, die man beeinflussen will. Als Techniker bin ich zu wenig phantasiebegabt aber für Künstler könnten das willkommene Projekte sein. Der Block ist während des Spiels „unter sich“. Die Aktionisten brechen dieses „unters sich“ auf. Ich meine mit diesem Aktionismus, dass Teilnehmer eines (Kunst-)projekts auf den Rängen auftreten. Ein paar Minuten genügen vielleicht. Die wichtigste Botschaft – ganz egal, was sie sonst tun – ist, dass die Kurve nicht der Kurve allein gehört, sondern ein öffentlicher Ort ist und nicht ein „rechtsfreier Raum“, wie das gerne gewollt wird. Nehmen wir zum Beispiel an, dass diese Aktivisten im Block „Andersartigkeit“, „Judentum“, „Verfolgung“ oder „Aggression“ darstellen, etwas, was die Fans eine Zeitlang aushalten sollen. Man müsste solche Vorschläge nur einmal einer Künstlergruppe unterbreiten, Künstler sind sicher erfinderischer. Von verbalen Verfehlungen ist ja nicht der Fanblock allein betroffen, alle Tribünen gehören dazu (wie ich mich überzeugen konnte) , und daher könnten solche Aktionen durchaus stadionweit durchgeführt werden, indem die Künstler durch alle Tribünen wandern. „Wiener Zucker“ leistet sich solche Aktionen – für höhere Umsätze und gegen die Volksgesundheit. Den Aktionismus können wir vom „Wiener Zucker“ abschauen und in den Dienst der guten Sache stellen.Links
- 2009-05-15 EwkiL: Rechte Szene bei Rapid in Kurier-Artikel dokumentiert
- 2015-10-24 EwkiL: Rapid-Austria In Zusammenarbeit mit dem Verein distanziert sich der Block-West klar vom Antisemitismus mit dem Transparent: „Gewidmet Wilhelm Goldschmidt uns allen Rapidlern, die dem Dritten Reich zum Opfer gefallen sind.“
- 2017-05-10 vice.com Rapid-Fans beschimpfen Austria-Spieler als „Judenschweine“ Der Autor Michael Bonvalot vergisst nicht die sonderbare Allianz rechter Gruppen sowohl bei Rapid als auch bei der Austria hinzuweisen, obwohl er in diesem Artikel – anlassbezogen – besonders die Rapidler im Visier hat.
- 2017-05-10 EwkiL: Rapid II-Austria Amateure
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